Burgfeldschule sucht ehrenamtliche Sprachbegleiter
Mitreden können in Mathe und im Alltag
Keine formalen Voraussetzungen zu erfüllen
Immer mehr kleine Quereinsteiger können dem Unterricht nicht folgen, weil sie kein Wort Deutsch verstehen.
Bad Berleburg. (nik) Auf dem Pausenhof fliegen die Fußbälle hin und her, auf einer Bank sitzt ein Junge und hat das Geschehen fest im Blick, bereit, die gelbe oder gar die rote Karte zu zücken. Keine Frage: Es gibt Dinge, für die es nicht vieler Worte bedarf, und gerade Kinder sind im gegenseitigen Umgang ja sehr unkompliziert. Im Schulunterricht allerdings hört der Spaß auf. Mittendrin zu sitzen und nicht zu verstehen, um was es geht, das kann doch sehr frustrierend sein. Eine Situation, mit der sich das Kollegium der Grundschule Am Burgfeld immer häufiger konfrontiert sieht, weswegen sich Schulleiter Günter Rothenpieler jetzt mit der Bitte um Unterstützung an die Öffentlichkeit wendet.
An seine Schule kommen zunehmend Kinder als Seiteneinsteiger, die buchstäblich kein Wort Deutsch sprechen. Konkret, so berichtet er im Gespräch mit der Siegener Zeitung, geht es derzeit um eine Gruppe aus Tschechien, eine aus Italien und eine Gruppe aus Rumänien, deren Familien z. B. aufgrund der EU-Freizügigkeit nun in Deutschland ihr Glück suchen. Insgesamt sind das im Moment nicht mehr als zwölf Mädchen und Jungen in den Klassen eins bis vier, was bei einer Gesamtschülerzahl von 200 erst einmal nicht alarmierend klingt.
Die Klassenstärken liegen jedoch bei 29 Schülerinnen und Schülern – da ist es für eine Lehrkraft allein kaum zu bewerkstelligen, jene Schüler, die dem Unterricht wegen fehlender Sprachkenntnisse nicht folgen können, auch noch individuell zu fördern. „Die Kinder“, erläutert Rothenpieler, „kommen in eine altersgerechte Gruppe, das ist auch richtig so“. Aber wie sollen sie lernen, um was im Sachkundeunterricht oder in Religion geht, wenn es im Alltag schon an Kleinigkeiten scheitert? „So simple Dinge wie die Toilettenspülung“ müssen da irgendwie kommuniziert werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kinder sowohl in der Schule als auch im Alltag lieber unter ihresgleichen bleiben, wo sie einander verstehen, was das Erlernen der deutschen Sprache aber nicht eben fördert – ein ungesunder Kreislauf. Den möchte Günter Rothenpieler gern durchbrechen: Zur Ergänzung ihres Förderangebotes sucht die Schule deshalb jetzt ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die gemeinsam mit der Schule sowohl in der Unterrichtszeit als auch im Rahmen der Offenen Ganztagsschule (OGS) die Kinder sprachlich begleiten.
Derzeit gestaltet sich der Unterricht so, dass die betreffenden Mädchen und Jungen mit Material aus dem Förderprogramm arbeiten – doch auch hier brauchen sie eigentlich jemanden, der sich neben sie setzt und alles noch einmal ganz genau und in dem Tempo, das jedes einzelne Kind benötigt, erklärt. „Wir müssen mit nicht-sprachlichen Mitteln versuchen, die Kinder ans Sprechen zu kriegen“, bekräftigt Rothenpieler, „das geht nur in der Eins-zu-Eins-Betreuung.“

An den Augen der Kinder hat er schon beobachtet, dass sie zum Beispiel dem Matheunterricht oft sehr wohl folgen können, doch hilft das alles wenig, wenn der Finger unten bleiben muss, weil einfach die Worte für die richtige Antwort fehlen. Was Günter Rothenpieler, seine Kolleginnen und Kollegen sich gut vorstellen können sind Sprachhelfer, die etwa sechs bis acht Wochen lang ein Kind sprachlich intensiv begleiten, für ungefähr eine Stunden am Tag. Daran anschließen kann sich später Arbeit in Kleingruppen. Optimal wäre es, wenn sich zwei Sprachbegleiter die Verantwortung für ein Kind teilen könnten und auf diese Weise fünf Tage pro Woche abgedeckt wären. Wünschenswert wäre es, wenn die Sprachbegleiterin oder der Sprachbegleiter Kenntnisse oder Erfahrungen in den Herkunftssprachen hätte, aber ein Muss ist das nicht. „Es gibt keinerlei formale Voraussetzungen“, bekräftigt der Schulleiter.
Weder müssen die Ehrenamtlichen im Hauptberuf Lehrer (gewesen) sein, noch ein polizeiliches Führungszeugnis vorweisen. „Unsere Hauptaufgabe ist es, die Kinder schnellstmöglich umgangssprachlich zu schulen“ – sprachliche Unterstützung in Alltagssituationen ist dabei das zentrale Ziel. Und, wer weiß, vielleicht ergeben sich später ja auch kleine Projekte wie „Wir besuchen den Supermarkt“.
Es war ein Blick über den Zaun ins Siegerland, der Günter Rothenpieler und seinem Kollegium die Idee lieferte: An der Grundschule Neunkirchen läuft seit den Herbstferien ein Sprachhelfer-Projekt, weil auch hier immer mehr kleine Quereinsteiger aus europäischen Ländern die Schulbank drücken.
Wer gerne helfen möchte, kann sich direkt mit der Schulleitung der Burgfeldschule in Verbindung setzen. Zur Unterstützung stehen den Sprachbegleitern sowohl Unterrichtsmaterialien als auch Ansprechpartner in der Schule zur Verfügung.
Von Nicole Klappert
Siegener Zeitung, 14. April 2015
Bildquelle: SZ-Fotos von Nicole Klappert / Archiv
